Debatte zur Kampagne der Verbesserung der Kinderrechte in Bezug auf Artikel 39 der KRK.

Schreiben vom 16.01.2014

Sehr geehrter Herr Schruht,

Ich möchte mir erlauben, mich auf ihre Reaktion zum Sternmarsch nach Genf zu äußern. Ich beteilige mich nicht daran, über das was die Bundesregierung einmal sagen könnte, zu spekulieren. Es ist mir schlichtweg egal, was die Regierung eines Parlamentes sagt, von dem ich offensichtlich nicht vertreten bin. Nun zur Sache: Den Aufruf zum Sternmarsch haben sie falsch interpretiert. Der Marsch findet nicht statt, weil aus Artikel 39 eine Pflicht zur Entschädigungsrechtsetzung bestünde, sondern weil uns das 3. Zusatzprotokoll mit seinem Art. 20 von diesem Recht Art. 39 der KRK ausschließt. Die neuen Opfer sind von den alten Opfern nicht zu differenzieren. Wer diese Opfergruppe durch eine Stichtagsreglung trennen möchte, muss für den benachteiligten Teil dieser Opfergruppe Ausgleich schaffen, um nicht gegen das Gleichheitsgebot zu verstoßen. Da nicht abzusehen ist, ob die bevorteilte Opfergruppe über das Individualbeschwerdeverfahren zur Entschädigung erlangt, müsste profiltaktisch schon mit der Verabschiedung der Stichtagsreglung für dieses Eventuell für Ausgleich gesorgt werden, um nicht gegen das Gleichheitsgebot zu verstoßen. Und bei aller rechtlicher Bedenken Ihrerseits, aus dem Gleichheitssatz lassen sich sehr wohl Rechtsetzungspflichten herleiten. Doch darüber entscheiden nicht unsere Spekulationen, sondern das Verfassungsgericht. Die Unterlassungsrüge ist ja dort bereits hinterlegt. Zudem existiert die Petition im Bundestag, die die Bildungsvorenthaltung der Heimkinder berücksichtigen muss. Auch hieraus lassen sich Verletzungen des Willkürverbots ausmachen, die einen Entschädigungsanspruch auf Lebenszeit rechtfertigen werden. Daher stelle ich hier nochmals die Homepage www.kinderrechte-blog.byme-magazin.de anheim, damit die Opfer die Hintergründe zum Marsch nach Genf belesen können. Sie Herr Schruht, wissen natürlich, dass, wenn es wirklich eine Alternative zum willkürlichen Hilfsfonds gäbe, ihre Stellung als der von Gnaden eingesetzte Ombudsmann verloren ginge. Denn dann würde kein Opfer diesen unwürdigen Ablass der Kirchen und des Staates in Anspruch nehmen.

Die Welt da draußen Herr Schruht, ändert sich jeden Tag. Aber nicht weil es Leute wie sie gibt, die nur Statements zur Ist-Situation abgeben, sondern weil es Menschen gibt, die für Veränderung etwas wagen und Risiko tragen. Ihre Expertisen sind das Eine, aufzustehen und für Veränderung zu kämpfen, das Andere. Solange Professoren und Gelehrte still halten, solange geht es mit der Achtung der Dichter und Denker bergab. Daher finden Expertisen so wenig Achtung in Entscheidungen des Parlaments. Darum verehrte Professoren, steht endlich auf. Beteiligt Euch an unserem Kampf und bringt die Studenten mit. Denn sie werden es sein, die unseren Kindern in Zukunft Recht sprechen müssen. Wollt IHR dass sie das jetzige Recht in Zukunft so sprechen? Ich glaube nicht! 

Was daher bleibt ist die Zuversicht, denn auch den Südafrikanischen Farbigen, den Schwarzen in den USA, den Palästinensern , den Juden, den Menschen im Ostblock wurde einst nicht viel Hoffnung gemacht, dass diese Rechte besäßen. Die Geschichte hat bewiesen, dass Menschen die Gesetze verändern. Und genau das werden wir auch tun.

Mit freundlichen Grüßen

Robby Basler

__________________________________________________________

Schreiben vom 16.01.2014 

Liebe Kollegen,
heute erreichte mich beigefügter Aufruf eines ehemaligen Heimkindes, den ich Ihnen zur Kenntnis geben will. Ich halte von seiner Argumentation mit Art. 39 KRK nicht viel, weil die Behauptung, das darin verwendete Wort "alle Maßnahmen" würde die Forderung nach einer bestimmten staatlichen Reaktion mittels Entschädigung begründen, ist mir rechtlich nicht ausreichend. Die deutsche Bundesregierung wird sagen, dass sie mit den Fonds "alle Maßnahmen" getroffen habe (der Rentenersatzanteil ist sogar entschädigungsähnlich). Dies habe ich schon mit dem Initiator, Herrn Basler, diskutiert. Ganz grundsätzlich verfassungsrechtlich gesprochen, es scheint mir kein nationales bzw. europäisches recht mit Verfassungsrang zu geben, welches eine bestimmte Rechtsfolge für den Staat festlegt (z.B. kollektive Entschädigung). In den menschenrechtlichen Kodifizierungen werden vor allem die Rechte selbst, nicht die Rechtsfolgen ihrer Verletzung bezeichnet. Vielleicht ein Dilemma.
Trotzdem, ich bin gespannt, ob diese Aktion des "letzten Hemdes" hier bei uns oder bei Ihnen Anklang bei den Betroffenen findet.
Ich hoffe, Sie sind gut ins neue Jahr gekommen und wünsche Ihnen ein gutes Jahr 2014.
Freundlichst grüßt
Peter Schruth

_______________________________________________________________

Schreiben vom 19.09.2013

Sehr geehrter Herr Schruth.

Ich kann Ihre prekäre aber dennoch gut honorierte Lage als Ombudsmann im Dienste des Ministeriums bzw. des AGJ- Lenkungsausschusses gut nachvollziehen, und weiß auf Grund Ihrer Aussage, weil Sie am Runden Tisch Heimerziehung für die kollektive Entschädigung gestritten haben, wie zweischneidig ihr Weg ist, den Sie bisher gegangen sind.

Nun zu Ihrer Einschätzung der Rechtsansicht: Es ist aus meiner Sicht von Ihnen zu einfach gedacht, dass die Politik sich auf die “geeignete Maßnahme” berufen könnte. Zum Ersten glaube ich, dass die Politik sich auf nichts berufen kann, wofür sie nicht Rechtsträger ist. Der willkürliche Fonds Hilfe für fehlgeleiteter Heimerziehung ist eine privatrechtliche freiwillige Leistung jener, die ein Schlechtes Gewissen los werden möchten. Mehr nicht.

Zum Zweiten sagten sie, “geeignete Maßnahmen”: - hier irren Sie in der Ansicht, der Bundestag sei durch eine einzige Maßnahme von seiner Pflicht gegenüber des Artikel 39 der KRK befreit. Denn in dem Artikel 39 der KRK ist nicht die Rede von “einer geeigneten Maßnahme”, sondern von “allen geeigneten Maßnahmen“, um die physische und psychische Genesung und die soziale Wiedereingliederung eines Kindes zu fördern, das Opfer irgendeiner Form von Vernachlässigung, Ausbeutung und Misshandlung, der Folter oder einer anderen Form grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe oder anderer bewaffneter Konflikte geworden ist.

Demnach steht eine Gesetzestechnische Maßnahme aus. Denn der Rechtsanspruch auf die Versprechen des Artikel 39 der KRK muss den Opfern gewährleistet werden, um „alle“ Maßnahmen ausgeschöpft zu haben. Daher bedanke ich mich bei Ihnen für die Eröffnung der Debatte, ob Deutschland ein explizites Minderjährigen-Opferentschädigungsgesetz benötigt und sehe im Führen dieser Debatte die Chance, die von Ihnen in Ihrem Abschlusssatz erwähnte politische und moralische Frage nach einer Gerechten Entschädigung in das Rollen zu bringen.

Mit recht herzlichen Dank verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Robby Basler

____________________________________________________________

Schreiben vom 19.09.2013

Sehr geehrter Herr Basler,

Sie sprechen mich an mit einer rechtlichen Idee, die naheliegend erscheint, aber meiner rechtlichen Einschätzung nach in der Durchsetzung wenig Hoffnung verspricht. Ich kann Ihr Interesse auf Durchsetzung staatlicher Entschädigungsleistungen nachvollziehen, weil auch ich dafür am Runden Tisch Heimerziehung gestritten habe. Es ging dabei darum, ob die damalige Heimerziehung systematisches Unrecht war und wenn ja, wofür es gute Gründe gibt (Z.B. Grundrechtsverletzungen sind Menschenrechtsverletzungen), ob daraus dann nicht auch konsequenterweise eine kollektive Entschädigungsverpflichtung des Staates folgt, der als Nachfolgestaat dafür im Sinne der UNKRK verantwortlich bleibt. Die Politik hat sich am Ende des Runden Tisches Heimerziehung sowohl für die BRD- als auch die DDR-Heimgeschichte anders entschieden.

Aus Art.39 UNKRK eine staatliche Verpflichtung für eine bestimmte Reaktion auf staatlich verursachtes und eingeräumtes Unrecht (gegenüber ehemaligen Heimkindern) abzuleiten, ist deshalb nicht erfolgsversprechend, weil in Art.39 UNKRK steht, es reichten als Antwort "geeignete Maßnahmen". Und dies werden die Errichter des Fonds für sich in Anspruch nehmen, mit den Fonds auf geeignete Weise im Sinne der UNKRK und den ehemaligen Heimkindern reagiert zu haben. Davon unabhängig ist, ob dies gerecht und angemessen ist, denn das ist dann keine rechtliche Frage mehr sondern eine politisch-moralische. Ich erlaube mir, meine Antwort auch anderen ehemaligen Heimkindern und Interessierten zur Kenntnis zu geben.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Peter Schruth

_______________________________________________________

Schreiben vom 17.09.2013

Sehr geehrte/r Mitarbeiter/in des .............

als derzeitige/r Mitarbeiter/in im ..............., sind Sie für mich der/die richtige Ansprechpartner/in, wenn es um die Belange einer anstehenden Kampagne geht, die Gesellschaft aufzuklären und eine öffentliche Debatte darüber zu führen, ob aus der Norm des Artikel 39 der Kinderrechtskonvention sich ein explizites Minderjährigen-Opferentschädigungsgesetz innerstaatlich erforderlich macht, aus dem die minderjährigen Opfer Entschädigungsansprüche erlangen können, auch wenn sie bereits erwachsen geworden sind und ob diesen Opfern dann nicht doch entgegen des Artikel 20 des 3. Fakultativprotokolls ein Individualbeschwerderecht vor dem Ausschuss der KRK in Genf zustehen sollte, damit Deutschland wirklich als Kindeswohl orientierter Rechtsstaat gelten kann.

Hintergrund sind die massiven Menschenrechtsverstöße an Familien und deren Kinder, die als alternativerziehend galten und nicht der Norm entsprachen, die der Erziehungspolitik beider deutschen Staaten vorgegeben war. Im Zuge der Führsorge durch Heimaufenthalte die Kinder dieser Familien entsetzlichen Menschenrechtsverbrechen ausgesetzt wurden. Diese reichten von der Vorenthaltung der Körperlichen Unversehrtheit, der Vorenthaltung des Bildungsrechts und der freien Berufswahl, gingen über seelische Grausamkeit und sexuellem Missbrauch, bis zur Zwangsarbeit. Der größte Teil der Opfer war oder ist traumatisiert. Besteht jedoch kein erkennbares Krankheitsbild oder haben die Opfer vor Charme nie einen Arzt konsultiert, ist es den Opfern heute unmöglich, Entschädigungsrechte einzuklagen. Weder das OEG, das Str.Reha.G. oder das SGB sieht Ansprüche der Opfer vor, wenn sie über 25 Jahre alt sind.

Da Artikel 39 der KRK aber in der absoluten Vergangenheitsform formuliert ist und eine Frist in der KRK nicht zu entnehmen ist, ist davon auszugehen, dass die Rechte aus Artikel 39 der KRK auch für Opfer zutreffen, die bereits erwachsen wurden und eventuell erst nach Jahren der Traumatisierung fähig sind, ihre gesellschaftliche Schlechterstellung und ihren finanziellen Schaden zu erkennen.

Hierüber soll nun die Diskussion geführt werden. Ich bitte Sie hiermit um Unterstützung, diese Rechtsansicht in ihren Vorträgen einzufügen um die Debatte darüber zu beginnen, ob Deutschland ein explizites Minderjährigen-Opferentschädigungsgesetz benötigt. Ich bitte Sie, dieses Schreiben an die Professoren und Mitarbeiter, die ein berechtigtes Interesse an diesem Thema haben, weiterzuleiten. Ich hänge Ihnen einen Flayer zur Homepage an, aus der Sie sich weitere Standpunkte zur Opferpolitik anlesen können.

Für Fragen, Interviews, Vorträge oder Kongresse stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Hochachtungsvoll

Robby Basler